Albaufstieg bei Weisthausen-Reicheinbach
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Felsanker

Der Albaufstieg bei Westhausen (6 km nordöstlich von Aalen) überwindet die ca. 190 m hohe Schichtstufe der Schwäbischen Alb (Albtrauf) mit dem 700 m langen Agnesburgtunnel und zwei tiefen Einschnitten. Ursprünglich war geplant, in den Tunneln und Einschnitten ein gleichbleibendes Längsgefälle von 4 bzw. 4,3 % beizuhalten. Befürchtungen hinsichtlich des Unfallrisikos bei Gefahrguttransporten in Gefällestrecken führten jedoch zu einer Verringerung der Längsneigung im Tunnelbereich auf 3 %. Dies hatte zur Folge, daß der südlich an den Tunnel anschließende Abschnitt der neuen Autobahn tiefer in den Fels eingeschnitten werden mußte.


Voreinschnitt Agnesburgtunnel

Der Steilabfall der Schwäbischen Alb wird von den Kalkstein- und Mergelschichten des Oberen Juras (Malm, Weißjura) gebildet, die insgesamt sehr viel verwitterungsbeständiger sind als die Tonsteine und Mergel des Mittleren und Unteren Juras (Dogger, Lias). Dies trifft vor allem zu für die Schichten des Weißjura beta und delta. Weißjuraalpha und gamma hingegen sind infolge ihres hohen Anteils an Mergelsteinen verwitterungsanfälliger. Im unverwitterten Zustand haben sie Felscharakter. Durch Verkarstungsvorgänge in den kalzitischen Gesteinen des Weißjura beta und delta können Spalten und Hohlräume in unterschiedlicher Größe und Form auftreten, die teilweise mit Lehm verfüllt sind. Die Autobahntrasse schließt die gesamte Schichtenfolge des Weißjura auf.

Um den Eingriff in den Wald auf ein Mindestmaß zu beschränken, wurden die Einschnittsböschungen möglichst steil angelegt, unterteilt in jeweils 11 m hohe Steilböschungen (79 Grad Böschungsneigung). Zwischen diesen gestaffelten Steilböschungen sind 5 m breite befahrbare Bermen angeordnet, die eine Pflege der Böschungsoberflächen ermöglichen. Die einzelnen Bermen und Böschungen folgen den geologischen Schichtgrenzen, das heißt, sie verlaulen nicht parallel zur Autobahn.


Zufahrtsbereich zum Agnestunnel

Die Deckschichten und oberflächennahen, teilweise stark verkarsteten Bereiche wurden mit Schwergewichtsmauern, in Abhängigkeit von der zu sichernden Höhe entweder als Gabionen oder meist als begrünbare Raumgitterstützwände ausgeführt, gesichert. Der verwitterungsbeständige Weißjura beta und delta bleibt unverbaut. Hier genügt eine Sicherung mit Steinschlagnetzen. Um den Weißjura alpha und gamma vor Verwitterung zu schützen, mußten jedoch verankerte Futtermauern vorgesetzt werden, die begrünbar sind:

Senkrechte Lisenen, die am Fels verankert wurden, (Einstabanker 8,5 m lang und 50 to Tragkraft) sind mit Auflagernocken versehen, auf denen wiederum Traversen horizontal aufgelegt sind, die ein Verfüllen mit Mutterboden und damit eine Bepflanzung ermöglichen. In diese Futtermauer integriert sind Ankerbalken (3 Reihen je Stufe) mit 15 bis 30 m langen Felsankern. (Litzenanker, Tragkraft 50 - 125 to), die zunächst als Baugrubensicherung dienten und jetzt die Standsicherheit der Gesamtböschung gewährleisten.

Bei Ausführung der tiefen Einschnitte ergaben sich unerwartete Schwierigkeiten:
- Im südlichen Einschnitt konnte eine Steilböschung nicht ausgebildet werden infolge einer ungewöhnlich starken Verkarstung. Statt dessen wurde die Böschung abgeflacht und eine Felsanker-Schwergewichtsmauer angeordnet
- wechselnde Kluftneigungen erforderten Zusatzscherungen sowohl für den Bau- als auch für den Endzustand
- Zusatzsicherungen wurden auch im Bereich einer Störzone im nördl. Einschnitt erforderlich.
- Im höchsten Bereich des Nordeinschnittes wurde beim Abtrag der Felsmassen ein ca. 1000 m3 Hohlraum angetroffen, der sofort mit Beton verfüllt werden mußte, um die darüberliegenden, bereits fertiggestellten Wandabschnitte nicht zu gefährden. Weiterhin mußte der gesamte darunterliegende gestörte Bereich mit Zementinjektionen verbessert sowie mit längeren und stärkeren Ankern gesichert werden. Zusätzlich waren in diesem Bereich umfangreiche Entwässerungsbohrungen durchzuführen, um die ursprüngliche Wasserwegigkeit wieder herzustellen, da die Wandsicherung nicht auf Wasserdruck bemessen ist.

Zur Kontrolle der getroffenen Annahmen (Bodenkennwerte, Verformungen) wurden während der Bauzeit umfangreiche Messungen durchgeführt, Diese Messungen, die eine wichtige Aussage über die Standsicherheit liefern, werden als Langzeitbeobachtung noch über Jahrzehnte weitergeführt.  Insgesamt wurden ca. 2,5 Mio. M3 Boden und Fels bewegt, ca. 40 000 M2 Raumgitterwände, deren Begrünung sich von Jahr zu Jahr weiter entwickeln wird, kamen zur Ausführung. Über 4000 Anker wurden eingebaut.

Mit den Bauarbeiten wurde im Mai 1984 begonnen. Sie konnten im Juni 1987 abgeschlossen werden. Die Kosten betrugen - ohne Fahrbahndecke - ca. 105 Mio. DM, wovon auf Stützwände und Anker ca. 50 Mio. DM entfallen.


Aus der Dokumentation zur Freigabe des letzten Teilstücks Feuchtwangen - Heidenheim am 18.12.1987 (Seite 41)
Herausgeber:
Der Bundesminister für Verkehr
Der Bayerische Staatsminister des Innern
Innenministerium Baden-Württemberg